ABOUT THOMAS RÄPKE
Die Flechtwerke und Gitterskulpturen des Metallwerkers Thomas Räpke beeindrucken durch ihre kraftvolle Materialität. Doch ihr eigentliches Faszinosum verdanken sie dem Umstand, dass sie ihr Bauprinzip offen zur Schau stellen.
Da gibt es zum Beispiel dieses zwei Meter hohe Gitterwerk aus verschraubten Stahlstäben: Ist das eigentlich eine Skulptur – oder nicht doch ein Architekturmodell? Steht die tonnenschwere Konstruktion für sich oder verweist sie auf ein Gebäude, das es einmal gab oder geben soll? Auch wenn man bereits im Bilde ist: Angesichts der Pro-portionen und der Rasterstuktur der Arbeit drängen sich Assoziationen zu den kubischen Stahlbetonskeletten klassisch moderner Hochhäuser geradezu auf. Mit den Baumeistern aus der Hochzeit der »Mies-Kisten« teilt Thomas Räpke ganz offensichtlich die Liebe zum Qua-drat, zum Raster, zur seriellen Komposition. »Weniger ist mehr.« »Man kann nicht jeden Montag eine neue Architektur erfinden.« »Gott ist im Detail.« Die Grund-Sätze, mit denen Mies van der Rohe seine Architektur der Reduktion und Selbstähnlichkeit apodiktisch zu untermauern pflegte – sie werfen auch ein bezeichnendes Licht auf Kunst und Charakter von Thomas Räpke.
Arbeit am Metall
Das Wesentliche, auf das es sich zu konzentrieren gilt, hat der gebürtige Oberammergauer schon als Kind tag-täglich vor Augen. »Mein Vater war Betriebsmechaniker, und ich bin in der Metallwerkstatt aufgewachsen«, sagt Räpke. »Dass ich mein Berufsleben der Arbeit am Metall widmen würde, stand von Anfang an fest.« Diese Arbeit war und ist zunächst einmal hand-werklicher Natur. Räpke ist gelernter Werkzeugmacher. Nach seiner Lehre bei Siemens, einem Gesellen- und einem Zivildienstjahr macht er sich »mit einer Flex und einem geliehenen Schweißgerät« selbstständig. Früh spezialisiert er sich auf Tätigkeiten im Bereich der Innenarchitektur. Er fertigt alles, was Ecken und Kanten hat: Bettgestelle, Küchenfronten, Ladeneinrichtungen, niemals jedoch schmiedeeiserne Objekte. Eisen »heiß machen und darauf herumklopfen« hat den Metallwerker nie interessiert. Umstand, dass sie ihr Die welligen Profile und organischen Formen, die ein Kunstschmied erzeugt, haben keinen Platz in seiner Welt der platonischen Körper. Im übrigen vergrößert sich diese Welt stetig. Seit 2008 betreibt Räpke in München die Firma Metalware, die neben Metallkomponenten für den hochwertigen In-nenausbau auch Prototypen, Kleinserien und Lichtobjekte fertigt. »Wir fangen da an, wo die normale Bauschlosserei aufhört«, sagt der Metalware-Chef. Die edlen Möbelfronten, Wand-paneele oder Türdrücker, die in seiner Werkstatt entstehen, zeichnen sich durch besonders feine Oberflächen aus. Der Umgang mit brüniertem Messing oder hochglanzpoliertem Stahl ist dem Münchner in Fleisch und Blut übergegangen.
Als gestaltender Handwerker bewegt sich Räpke nach wie vor im Grenzbereich zwischen Design und Kunst. Aber auch jenseits der Grenze hat er längst Tritt gefasst. Den Anstoß für den Schritt ins Freie gab ein Auftrag von 2013. Es ging damals um die Verkleidung einer Hoffassade mit einem Flechtwerk aus Kupferblechen. Die Arbeit setzte einen Schaffensprozess in Gang, der den Künstler Thomas Räpke bis heute umtreibt. Als gestaltender Handwerker bewegt sich Räpke nach wie vor im Grenzbereich zwischen Design und Kunst. Aber auch jenseits der Grenze hat er längst Tritt gefasst. Den Anstoß für den Schritt ins Freie gab ein Auftrag von 2013. Es ging damals um die Verkleidung einer Hoffassade mit einem Flechtwerk aus Kupferblechen. Die Arbeit setzte einen Schaffenspro-zess in Gang, der den Künstler Thomas Räpke bis heute umtreibt.
Flechtwerke
Zunächst galt es, die Flechttechnik zu optimieren, denn die wellig-luftige Textur, die sich zwangsläufig ergibt, wenn man Metallstreifen miteinander verwebt, störte den Elementar-geometriker. Zwar weist so ein Gewebe ein geometrisches Muster auf, aber das kurvige Auf-und- Ab des Materials verunklart in seinen Augen die mathematische Idealität des Quadratrasters. Die Frage lautete also: »Lässt sich die Textur so glätten, dass eine plane Oberfläche eng verfugter Quadrate entsteht?« Die Lösung bestand darin, mit gefalteten Blechstreifen zu arbeiten. Die geraden Bänder mussten zu Recht-eckwellen verformt werden, um sie anschließend bündig ineinander fügen zu können. Für den Faltvorgang entwickelte der Metaller eine spezielle Prägepresse, die das Blech mit bis zu 80 Tonnen Gewicht in die ge-wünschte Form bringt. Im zweiten Arbeitsschritt entstehen dann Metallflächen, die sich aus lauter dicht aneinanderstoßenden Quadraten zusammensetzen. Und wozu das Ganze? »Sobald ich so eine Fläche nach hinten abkante, erschaffe ich einen dreidimensionalen Körper, der mir sozusagen als Leinwand dient.« Räpkes »Leinwände« bestehen aus Stahl, Edelstahl, Aluminium, Messing, Kupfer oder auch Titan. Die Untergründe werden nicht »übermalt«, aber mittels verschiedenster Techniken bearbeitet. Sie werden verätzt, geflammt, gerostet, eloxiert, büniert, vergoldet oder mit wasserfester Tinte gefärbt. Auf diese Weise entstehen abstrakte Bildwerke von bezwingender archaischer Kraft. Neben den feurig dunklen, mystisch tiefen Tableaus gibt es allerdings auch pure Materialbilder, deren Oberflächlichkeit umso doppelbödiger erscheint, je intensiver man sich mit ihnen befasst: Ein Flechtwerk aus hochglanzpoliertem Edelstahl präsentiert sich als reines Objekt der Begierde – ehe es sich dem Betrachter als Mittel eitler Selbstbespiegelung andient; eine Tafel aus eloxiertem Aluminium reproduziert Farbcodes der 1970er Jahre – in zeitlos gültiger Manier; eine überaus dekorative Blattgoldfläche schmückt nichts – außer sich selbst.
Platonische Ideen
Was ausnahmslos alle Arbeiten gemeinsam haben, ist das besondere Verhältnis der gestalteten Fläche zum gegebenen Untergrund. Während herkömmliche Tafelbilder ihren materiellen Träger qua Illusionszauber vergessen machen, ist es bei Räpkes »Leinwänden« umgekehrt. Die Oberflächeninszenierungen bringen zum Vorschein, was ihnen zugrundeliegt; die Kunst demonstriert, was sie trägt – das Quadratraster. Repräsentiert es die physikalischen Baupläne, wie sie sich in jedem realen Gegenstand ausprägen und zeigen? Sind es mathematische Prinzipien, platonische Ideen? Räpke versenkt die den Dingen eingeschriebene ideale Struktur jedenfalls nicht in eine metaphysische Tiefe, vielmehr bringt er sie an die lichte, sichtbare Oberfläche, weshalb man seine Kunst griechisch nennen kann – und zwar in dem Sinne, wie Nietzsche die »alten« Griechen interpretierte: »Sie verstanden sich darauf, zu leben: dazu tut Not, tapfer bei der Oberfläche, der Falte, der Haut stehen zu bleiben, den Schein anzubeten, an Formen, an Töne, an Worte, an den ganzen Olymp des Scheins zu glauben! Diese Griechen waren oberflächlich — aus Tiefe!« Besonders prägnant lässt sich das Phänomen der tiefen Oberflächlichkeit anhand eines Bildes demonstrieren, das der Künstler mit einer mattsilbernen Haut überzogen hat. In dem Maße, wie das Silber »anlief«, veränderte sich die Farbe des Überzugs. Das Kolorit wechselte von Hellgrau über Gelb, Lila und Braun bis Pechschwarz. Die Zeit spielte dem Objekt mit, seine Anmutung litt, doch das Wesen hielt sich durch: Nach wie vor prangt das nunmehr schwarze Silber auf der »ewigen« Rasterstruktur. »Ich möchte gut sein.« Nicht anders als mit den Flechtwerken verhält es sich mit den Gitterskulpturen: Ideale Muster und Strukturen beschäftigen auch den Bildhauer Thomas Räpke. Allen dreidimensionalen Arbeiten liegt dasselbe Konstruktionsprinzip zugrunde, egal ob es sich um ein Kleinobjekt für den Innenbereich oder eine turmhohe Außenskulptur handelt. Als elementare Bauteile verwendet der Künstler Metallstäbe, die er mit Zapfen und Nuten versieht und anschließend verschraubt. Die Gitterskulpturen, die aus den Grundmodulen entstehen, mögen sich in punkto Dimension, Kubatur, Materialität oder Anmutungsqualität unterscheiden – allesamt veranschaulichen sie das eine Prinzip, das ihnen zugrundeliegt. Manch ein Betrachter mag ein derart stures Beharren auf Einer Idee (oder der Idee des Einen) nicht besonders interessant finden. Thomas Räpke könnte dem Kritiker mit Mies van der Rohe entgegnen: »Ich möchte nicht interessant sein. Ich möchte gut sein.«
Was ausnahmslos alle Arbeiten gemeinsam haben, ist das besondere Verhältnis der gestalte-ten Fläche zum gegebenen Untergrund. Während herkömmliche Tafelbilder ihren materiellen Träger qua Illusionszauber vergessen machen, ist es bei Räpkes »Leinwänden« umgekehrt. Die Oberflächeninszenierungen bringen zum Vorschein, was ihnen zugrundeliegt; die Kunst demonstriert, was sie trägt – das Quadratraster. Repräsentiert es die physikalischen Bauplä-ne, wie sie sich in jedem realen Gegenstand ausprägen und zeigen? Sind es mathematische Prinzipien, platonische Ideen? Räpke versenkt die den Dingen eingeschriebene ideale Struk-tur jedenfalls nicht in eine metaphysische Tiefe, vielmehr bringt er sie an die lichte, sichtbare Oberfläche, weshalb man seine Kunst griechisch nennen kann – und zwar in dem Sinne, wie Nietzsche die »alten« Griechen interpretierte: »Sie verstanden sich darauf, zu leben: dazu tut Not, tapfer bei der Oberfläche, der Falte, der Haut stehen zu bleiben, den Schein anzubeten, an Formen, an Töne, an Worte, an den ganzen Olymp des Scheins zu glauben! Diese Grie-chen waren oberflächlich — aus Tiefe!« Besonders prägnant lässt sich das Phänomen der tiefen Oberflächlichkeit anhand eines Bil-des demonstrieren, das der Künstler mit einer mattsilbernen Haut überzogen hat. In dem Maße, wie das Silber »anlief«, veränderte sich die Farbe des Überzugs. Das Kolorit wechselte von Hellgrau über Gelb, Lila und Braun bis Pechschwarz. Die Zeit spielte dem Objekt mit, seine Anmutung litt, doch das Wesen hielt sich durch: Nach wie vor prangt das nunmehr schwarze Silber auf der »ewigen« Rasterstruktur. »Ich möchte gut sein.« Nicht anders als mit den Flechtwerken verhält es sich mit den Gitterskulpturen: Ideale Muster und Strukturen beschäftigen auch den Bildhauer Thomas Räpke. Allen dreidimensionalen Arbeiten liegt dasselbe Konstruktionsprinzip zugrunde, egal ob es sich um ein Kleinobjekt für den Innenbereich oder eine turmhohe Außenskulptur handelt. Als elementare Bauteile verwendet der Künstler Metallstäbe, die er mit Zapfen und Nuten versieht und anschließend verschraubt. Die Gitterskulpturen, die aus den Grundmodulen entstehen, mögen sich in punkto Dimension, Kubatur, Materialität oder Anmutungsqualität unterscheiden – allesamt veranschaulichen sie das eine Prinzip, das ihnen zugrundeliegt. Manch ein Betrachter mag ein derart stures Beharren auf Einer Idee (oder der Idee des Einen) nicht besonders interessant finden. Thomas Räpke könnte dem Kritiker mit Mies van der Rohe entgegnen: »Ich möchte nicht interessant sein. Ich möchte gut sein.«